14. April 2020
Die Schifffahrt im Banne von COVID 19 – LEBUHN & PUCHTA informiert
Die COVID-19-Pandemie hat inzwischen massive Folgen für die gesamte Weltwirtschaft und damit auch für die Warenströme und die internationale Schifffahrt. Jede Marktseite, namentlich sowohl das Schiff als auch die Ladung, ist von den Auswirkungen betroffen.
Namentlich kann es durch die Pandemie zu Störungen beim Betrieb des Schiffes kommen. In einem krassen Fall kann das Schiff wegen einer Corona-Infektion unter den Besatzungsmitgliedern in einem Hafen unter Quarantäne gestellt werden. Teils verlangen Häfen Mindest-Transitzeiten von 14 Tagen von Häfen aus China, USA, Iran oder Italien. Denkbar ist auch, dass das Schiff nicht mehr oder nur verzögert mit Brennstoff, Wasser, Proviant und Ausrüstung versorgt werden kann.
Ein anderes Szenario ist, dass das Schiff einen Hafen nicht mehr anlaufen kann, weil wegen der COVID-19-Pandemie keine Schlepper, Lotsen oder Festmacher zur Verfügung stehen oder weil der Terminal, an dem die Umschlagsarbeiten hätten durchgeführt werden sollen, seinen Betrieb einstellen oder beschränken musste. Allerdings scheint es sich grundsätzlich so zu verhalten, dass Schiffe in Häfen noch abgefertigt werden, allerdings teils erheblich verzögert.
Vor allem die Ladungsseite ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, namentlich wenn die Güter, die verschifft werden sollen, nicht zur Verfügung stehen. Möglicherweise kann die Ladung nicht oder nicht rechtzeitig zum Verladehafen transportiert werden, oder an der Beförderung besteht aufgrund einer vorzeitigen Beendigung des zugrundeliegenden Kaufgeschäftes kein Interesse mehr.
Das Frachtrecht hält verschiedene Mechanismen bereit, um Störungen bei der Durchführung einer Beförderung zu bewältigen. Wird keine Ladung zur Verfügung gestellt, kann der Verfrachter bzw. Reeder möglicherweise Ansprüche auf Demurrage oder Schadenersatz wegen der Verzögerung geltend machen oder den Vertrag vorzeitig beenden und Fautfracht bzw. Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Steht das Gut im Ladehafen bereit, kann es aber vom Schiff nicht zur Beförderung übernehmen, ist der Befrachter möglicherweise seinerseits zur vorzeitigen Beendigung des Vertrages zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadenersatz befugt. Ist das Gut bereits verladen worden und kommt es jetzt zu einer Störung bei der Durch- oder Fortführung der Beförderung, sieht das Frachtrecht Regelungen für eine Bewältigung des Hindernisses vor.
Problematisch sind vor allem längerfristige Geschäfte, etwa Mengenverträge (Contracts of Affreightment – CoA) oder Zeitchartern. Hier sind die Parteien bei Abschluss der Verträge davon ausgegangen, dass bestimmte Ladungsvolumina in dem fraglichen Zeitraum zu verschiffen sind und dass andererseits Schiffsraum zur Verfügung steht. Diese Balance kann nach den Umständen durch COVID-19-Pandemie empfindlich gestört werden. In der Regel treffen die Auswirkungen eher den Charterer, der weiterhin zur Zahlung von Hire bzw. zu Verschiffung der vereinbarten Mengen verpflichtet ist. Im Einzelfall können die Grundsätze über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage helfen. Sie knüpfen an eine schwerwiegende Veränderung der Umstände an, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind. In entsprechenden Situationen können beide Parteien Anpassung des Vertrages verlangen. Ausnahmsweise ist auch eine vorzeitige Beendigung des Vertrages denkbar. Im angelsächsischen Rechtskreis stellt sich ggf. die Frage nach einer Anwendung der doctrine of frustration oder einer im Vertrag vorgesehenen force-majeure-Klausel.
Steht aktuell der Abschluss von Fracht- oder Charterverträgen bzw. von längerfristigen Geschäften wie Mengenverträgen oder Zeitchartern an, empfiehlt es sich, im Vertrag Mechanismen zu vereinbaren, die die möglichen Auswirkungen einer fortgesetzten COVID-19-Pandemie oder zukünftig eintretenden ähnlichen Beschränkungen Rechnung tragen. Unabhängig davon bietet es sich an, dass die Parteien Regelungen über eine entsprechende, möglicherweise auch nur zeitweise Anpassung des Vertrages vorsehen. Die BIMCO hält seit 2015 die Infectious or Contagious Deseases Clause für Reise- und Zeitchartern bereit (www.bimco.org). Häufig kann es aber vorteilhafter sein, entsprechende Klauseln speziell für den jeweiligen Vertrag vorzusehen, um den Gegebenheiten besser Rechnung zu tragen.